Weltoffene Gesellschaft werden – Willkommenskultur etablieren – Kommunen unterstützen

Vom 12. bis 13. März fand in Bremen die Klausurtagung der Landesgruppen Niedersachsen/Bremen in der SPD-Bundestagsfraktion statt. Auf dieser wurde gemeinsam mit der SPD-Landesorganisation Bremen, dem SPD-Landesverband Niedersachsen, der SPD-Bürgerschaftsfraktion Bremen und der SPD-Landtagsfraktion Niedersachsen ein Beschluss zur Asyl- und Einwanderungspolitik gefasst. Nachstehend finden Sie die "Bremer Erklärung" zum Download als PDF und im Wortlaut:

Bremer Erklärung vom 13.03.2015

Weltoffene Gesellschaft werden – Willkommenskultur etablieren – Kommunen unterstützen

Wir wollen ein offenes Deutschland, das Menschen in Not Sicherheit und Obhut gewährt und
Zuwanderern aus dem Ausland eine Zukunftsperspektive aufzeigt.

Die hohen Flüchtlingszahlen stellen das Land dabei vor neue Herausforderungen. Seit Jahresende 2014 haben sich die Zugangszahlen noch einmal deutlich nach oben entwickelt, sodass mit einer Überschreitung der Prognosen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu rechnen ist. Der Bund, die Länder und die Kommunen können nur gemeinsam die Voraussetzungen für eine menschenwürdige Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen gewährleisten. Der Bund hat deshalb in den vergangenen Monaten
Verantwortung übernommen. Für die Flüchtlingsunterbringung stellt der Bund den Ländern je 500 Millionen Euro in den Jahren 2015 und 2016 zur Verfügung. Leerstehende Bundesimmobilien werden befristet mietfrei für die Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung gestellt. Für ein schnelleres Asylantragsverfahren wurden 650 zusätzliche Stellen im BAMF geschaffen und Bosnien und Herzegowina, Mazedonien und Serbien zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt.

Darüber hinaus hat der Bund ganz konkret die Situation der Asylbewerber und Geduldeten verbessert. Die Residenzpflicht, die bereits von den Ländern Niedersachsen und Bremen landesgesetzlich gelockert wurde, wurde bundesweit abgeschafft. Zudem wurde der Arbeitsmarktzugang deutlich erleichtert. Asylbewerber und Geduldete dürfen nun bereits nach drei Monaten in Deutschland erwerbstätig werden. Die Mittel für Integrationskurse zum Spracherwerb wurden zudem im Jahr 2014 auf 244 Millionen Euro erhöht und im Haushalt 2015 verstetigt. Dennoch müssen wir die Rahmenbedingungen stets anhand der aktuellen Entwicklung überprüfen. Bei allen Anstrengungen, die bereits vor Ort, von den Ländern und im Bund unternommen werden, erkennen wir in unserer täglichen Arbeit weiteren Handlungsbedarf. Die Kommunen, die eine besonders große Verantwortungsbereitschaft zeigen und hervorragende Arbeit leisten, werden finanziell, personell und logistisch besonders gefordert.

Wir unterstützen daher die Forderung des Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, dass der Bund die Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge übernehmen muss.

Ebenso wollen wir den Gesundheitsschutz der Flüchtlinge verbessern und zeitgleich den Verwaltungsaufwand in den Kommunen minimieren. Wir fordern daher, die Abwicklung der Gesundheitsleistungen den gesetzlichen Krankenkassen zu übertragen, sodass bundesweit das möglich wird, was in Bremen seit 1993 geübte Praxis ist. Die Erstattung der Gesundheitskosten muss der Bund übernehmen. Wir betonen zudem, dass die Einschränkungen in der Kostenübernahme im
Asylbewerberleistungsgesetz den täglichen Rahmenbedingungen nicht gerecht werden. Die gesundheitlichen Bedarfe der Flüchtlinge (z.B. Dolmetscherkosten in der Gesundheitsversorgung, Traumabehandlung etc.) sind unzureichend abgesichert. Hierfür muss eine Lösung gefunden werden.

Wenn die derzeit laufenden Besetzungen der zusätzlich geschaffenen Stellen beim BAMF nicht zügig zu der nennenswerten Beschleunigung des Asylantragsverfahrens führen, müssen weitere Maßnahmen zur Stärkung des BAMF ergriffen werden. Nur durch ein sorgfältiges und schnelles Asylantragsverfahren können die derzeitigen Kapazitäten in den Ländern und den Kommunen den steigenden Flüchtlingszahlen standhalten.

Wir setzen uns darüber hinaus für die Erleichterung der Möglichkeiten zur einvernehmlichen länderübergreifenden Unterbringung von Flüchtlingen ein.

Der hohen Anzahl unbegleiteter Minderjähriger, die nach Deutschland flüchten und insbesondere die Großstädte und Stadtstaaten vor enorme Herausforderungen stellen, müssen wir zudem besondere Beachtung schenken. Um eine dem Kindeswohl entsprechende, bedarfsgerechte Versorgung, Betreuung und Unterstützung von unbegleiteten Kindern und Jugendlichen sicherzustellen, soll durch die gesetzliche Regelung ein am Kindeswohl ausgerichtetes Verteilungsverfahren nach dem Königsteiner Schlüssel zwischen den Ländern ermöglicht werden, das u.a. auch die verwandtschaftlichen Beziehungen berücksichtigt. Ebenso muss der Aufenthaltsstatus der Minderjährigen auch über das 18. Lebensjahr hinaus für die Dauer ihrer Ausbildung gesichert sein.

Die Integration der Flüchtlinge und Asylbewerber wird maßgeblich dadurch erleichtert, dass sie schnell aus den Erstaufnahme- und Übergangseinrichtungen in regulären Wohnraum ziehen können. Dafür muss die Schaffung von bezahlbaren Wohnraum, gerade in Ballungsgebieten, voran gebracht werden.

Neben der Unterbringung bedürfen die Flüchtlinge der Unterstützung im Alltag. Die Teilhabemöglichkeiten am gesellschaftlichen Zusammenleben müssen daher gestärkt werden. Bereits während des Asylverfahrens sollen den Asylbewerbern Sprach- und Bildungsangebote, sowie ausreichend Integrationslotsen und -helfer zur Verfügung stehen. Die Integrationskurse des Bundes sollen daher auch für Asylsuchende, Gestattete und Geduldete geöffnet werden. Wir  Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten fordern eine offene Gesellschaft, die den Flüchtlingen nicht nur eine sichere Bleibe gewährt, sondern eine echte Zukunftsperspektive anbietet.

Denn eines ist klar: Es kommt nicht darauf an, wo jemand herkommt, sondern wie er sich einbringen möchte. Als hochentwickeltes Industrieland ist Deutschland auf qualifizierte Fachkräfte angewiesen. Durch den demographisch bedingten Bevölkerungsrückgang sinkt jedoch das Angebot an qualifizierten Fachkräften. Diese Lücke müssen wir schließen, wenn wir wirtschaftlich stark und wettbewerbsfähig bleiben wollen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten aus Niedersachsen und Bremen setzen uns deshalb für eine aktive Integration der Asylbewerber und Geduldeten in den deutschen Arbeitsmarkt ein.

Deutschland profitiert derzeit von einer hohen Einwanderung qualifizierter Arbeitskräfte aus der EU. Wenn sich die Beschäftigungslage im Süden Europas verbessert, wird der Zuzug aus diesen Ländern abnehmen. Es kommt daher auch auf qualifizierte Einwanderer aus Drittstaaten an, die bisher in erster Linie als Asylbewerber zu uns kommen.

Wir fordern ein transparentes Einwanderungsgesetz, das mit Hilfe klarer Regeln das Vertrauen der Bürgerinnen und  Bürger in eine offene Gesellschaft stärkt. Deutschland muss sich ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zukünftig als attraktives Land präsentieren, das Fachkräfte offensiv willkommen  heißt.

Ein modernes Einwanderungsgesetz muss dabei,

die verschiedenen Einwanderungsvorschriften in einem Einwanderungsgesetz bündeln und mit diesem Gesetz ein starkes Signal aussenden, dass Deutschland um die Einwanderung gut ausgebildeter Menschen wirbt.

ein sorgfältig an Deutschland anzupassendes, kriteriengeleitetes Einwanderungssystem nach kanadischem Vorbild enthalten, um die Einwanderung aus Drittstaaten langfristig mit einem flexiblen und nachfrageorientierten Punktesystem bedarfsgerecht zu steuern.

die Anerkennung ausländischer Abschlüsse verbessern und beschleunigen. Wir unterstreichen, dass ein modernes Einwanderungsgesetz nicht im Widerspruch zu einem menschenfreundlichen Umgang mit Asylsuchenden und Flüchtlingen steht, der sich aus der humanitären Pflicht und dem Anspruch auf Asyl ergibt.